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Die Familie Grünbaum
Die Familie von Hugo u. Klara (geb. Schloss) Grünbaum
Die Familie von Minna (geb. Grünbaum) u. Samuel Rosenthal
Die Familie von Karl u. Hulda (geb. Schlesinger) Grünbaum
Nachkommenliste: Noah Grünbaum
Noah und Minna (geb. Friedmann) Grünbaum waren die ersten aus der Familie Grünbaum, die von Walldorf/Werra in Thüringen nach Themar umsiedelten. Sie kamen in Themar an mit ihrem Sohn Hugo, der im Jahr 1868 in Walldorf/Werra geboren wurde.
Mitglieder der Familie von Noah Grünbaum lebte ungefähr 70 Jahre in Themar. Der Kurzwarenladen, den Noah gründete, befand sich zunächst in der Hintertorstraße 170; heutige Bahnhofstraße.
Später verlegte Noah sein Geschäft näher an den Bahnhof – in der Bahnhofstraße 150.
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Minna Grünbaum, geb. Friedmann, wurde im jüdischen Friedhof im Walldorf begraben.
Noah heiratete am 20. November 1873 seine zweite Ehefrau Josefine, genannt Sophine, Schlesinger, geboren im Jahr 1849 in Walldorf.
Noah und Sophine hatten drei gemeinsame Kinder, von denen allerdings nur ein Kind, der Sohn Karl, geboren im Jahr 1876, das Erwachsenenalter erreichte. Irgendwann ist die Familie in dem Haus in der Bahnhofstraße 150 umgezogen. Noah Grünbaum starb am 29. Januar 1901, Sophine am 25 November 1903.
In den 1890er Jahren heiratete Noahs Tochter Minna Samuel Rosenthal, einen Viehhändler aus Apolda, und zog zu ihrem Mann. Minna und Samuel Rosenthal hatten eine Tochter Grete, geboren im Jahr 1898; und zwei Söhne: Norbert, geboren im Jahr 1901, und Max, geboren im Jahr 1910. Noahs Söhne, Hugo und Karl, blieben mit ihrem Vater in Themar.
Im Jahr 1898 heiratete Hugo Klara Schloss, geboren in Schwanfeld, und hatte mit ihr zwei Töchter: Mira, geboren im Jahr 1903, und Else, geboren im Jahr 1905. Die Familie lebte in der Bernhardstaße, außerhalb der Stadtmauer. Karl heiratete im Mai 1904 Hulda Schlesinger, geboren im Jahr 1876 in Wasungen, und hatte mit ihr eine Tochter, Irene, die im Januar 1911 geboren wurde. Leider verstarb das Kind nur wenige Tage nach der Geburt.
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Was genau mit dem Warenhaus N.H. Grünbaum Anfang des 20. Jahrhunderts passiert ist, muss noch geklärt werden. Im Normalfall hätte der älteste Sohn, in dem Fall Hugo, das Familiengeschäft erben müssen. Doch im Oktober 1901 registrierte Hugo Grünbaum ein Schnittwarengeschäft unter eigenem Namen.
Karl, der zu dem Zeitpunkt 29 Jahre alt gewesen war, und seine Frau Hulda führten gemeinsam den N.H. Grünbaum Laden weiter. Im Bild oben steht Karl in der Tür und Hulda winkt vom Fenster. Am 8 Juni 1904 erschien die erste Anzeige für Warenhaus N. H. Grünbaum in der Zeitung für Themar.
Im Jahr 1905, als Hugos Cousine, Bertha (geb. Grünbaum) und ihr Ehemann, Jacoby Seckel, von Themar wegzogen, übernahm Hugo den Grünbaum & Seckel Laden. Am 1. Mai 1905 kündigte Hugo die Eröffnung des Ladens unter seinem Namen und den Umzug vom Marktplatz in die Bahnhofstraße 143; fast direkt gegenüber dem Warenhaus N.H Grünbaum.
Die zwei Brüder verkauften ähnliche Güter, boten ihren Kunden aber jeweils eine große Auswahl an. Wenn man sich die Werbeanzeigen von damals anschaut, zum Beispiel die Anzeige vom 1. Mai 1905 kann man sehen, dass die Waren in den beiden Läden sehr ähnlich waren.
Im Jahr 1912 verkaufte Karl Grünbaum sein Geschäft an Markus Rosenberg und zog ein Jahr später mit seiner Frau Hulda nach Erfurt.
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Damit war im Jahr 1914 nur eine Familie Grünbaum in Themar – Hugo und Klara Grünbaum mit ihren zwei Töchtern, Mira und Else. Minna und Samuel Rosenthal lebten mit ihren drei Kindern in Apolda. Karl und Hulda Grünbaum waren in Erfurt.
Wie die meisten deutschen Juden, kämpften Karl und Hugo beide im Ersten Weltkrieg für das deutsche Vaterland. Vom Karl Grünbaum wissen wir, dass er im Jahr 1916 als Soldat eingezogen wurde. Als Hugo und Klara die Geburt ihres Sohnes Hans am 12. Februar 1916 bekannt gaben, wählten sie für die Anzeige sehr patriotische Worte.
Nach dem Krieg eröffneten Karl und Hulda mehrere Geschäfte in Erfurt. Sie versorgten auch die kleineren Märkte und reisten deswegen oft in die ländlichen Gegenden. Karl und Hulda hatten zwei Kinder: die Tochter Ilse, geboren im Jahr 1916, und den Sohn Kurt, geboren im Jahr 1921.
Hugo und Klara führten das Hugo Grünbaum Geschäft in Themar. Ihre älteste Tochter Mira heiratete zwei Mal. Im Jahr 1929 heiratete Mira Hermann Goldschmidt aus Fulda. Vom Hermann kennen wir zwar den Namen, es ist uns aber nicht bekannt, wann oder warum sich das Paar wieder scheiden ließ. Miras zweiter Ehemann war Arno Sommer (aus der Familie Gassenheimer). Arno wurde in Hildburghausen im Jahr 1896 geboren. Mira und Arno hatten einen Sohn, der im Jahr 1935 in Hannover auf die Welt kam. Die jüngere Tochter von Hugo und Klara, Else, heiratete Arthur Neuhaus, der im Jahr 1901 in Werl geboren wurde. Arthur, der von Werl nach Themar gezogen war, arbeitete zusammen mit seinem Schwiegervater Hugo im Hugo Grünbaum Laden. Hans, das jüngste Kind von Hugo und Klara, das im 1916 geboren wurde, ging in Themar zur Schule.
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Als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht übernahmen, reagierte die Familie Grünbaum wie die meisten deutsch-jüdischen Familien. Sie kümmerten sich zunächst um die Sicherheit ihrer Kinder und dann um ihre eigene Sicherheit. „Sicherheit“ bedeutete zu dem Zeitpunkt Deutschland zu verlassen und entweder in ein anderes Land in Europa zu fliehen, oder am besten, Europa ganz zu verlassen. Hans Grünbaum war der erste, dem die Flucht aus Deutschland gelang. Er verließ Themar am 14. November 1934 im Alter von 18 Jahren und ging nach Palästina. Mira und Arno Sommer gingen am 2. August 1936 zusammen mit ihrem Sohn und Arnos Mutter, Hedwig Sommer, geb. Gassenheimer, die bereits geschieden war, nach Venedig. Höchstwahrscheinlich begannen auch die Familie Rosenthal in Apolda und die Familie Grünbaum in Erfurt ihre Ausreisen zu planen.
Nach der Reichspogromnacht im November 1938 war allen jüdischen Familien in Deutschland endgültig klar, dass das Leben, so wie sie es gekannt hatten, vorbei war. Die Männer aus der Familie Grünbaum, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten, wurden während der Reichspogromnacht verhaftet und im Konzentrationslager Buchenwald inhaftiert. Hugo Grünbaum wurde im Dezember 1938 wieder freigelassen. Karl Grünbaum kam am 8. Dezember wieder frei. Auch die Söhne von Minna und Samuel Rosenthal, Max und Norbert, wurden verhaftet. Norbert wurde im Dezember 1938 freigelassen; Max wurde hingegen bis zum 12. April 1939 in Buchenwald festgehalten. Nur Arthur Neuhaus in Themar und Samuel Rosenthal in Apolda überstanden, wie es scheint, die Reichspogromnacht ohne verhaftet zu werden.
Die Nationalsozialisten „erlaubten“ den Juden bis Oktober 1941 Deutschland zu verlassen. So konnten sich die Kinder von Karl und Hulda retten. Sie gingen nach England, wo sie am 3. September 1939 beim Kriegsausbruch den Status „enemy alien“ – feindlichen Ausländers – bekamen.
Während Ilse jedoch weiterhin in London leben und als Dienstmädchen arbeiten durfte, wurde ihr Bruder Kurt als gefährlich eingestuft und am 6. September 1940 mit der berüchtigten HMS Dunera nach Australien deportiert. Die drei Kinder von Minna — Grete, Max und Norbert — hatten zwar wahrscheinlich ebenfalls ihre Ausreisepapiere bereit gehabt, waren aber nicht weit genug oben auf der Liste für die Gastländer gewesen, um dort einreisen zu dürfen.
Auf die Angehörigen, die in Deutschland nach September 1941 festsaßen, wartete ein schlimmes Schicksal: Insgesamt wurden 12 Familienmitglieder deportiert. Die Jüngere waren als Erste weggenommen: fünf Enkelkinder mit ihren jeweiligen Ehepartnern, sowie die fünf-jährige Urenkelin, Inge Neuhaus, wurden am 10. Mai nach Belzyce Ghetto im Distrikt Lublin deportiert und ermordet.
Die Ältere, die drei Kinder von Noah Grünbaum — Hugo von Themar, Minna von Apolda, und Karl von Erfurt—wurden am 20. September ins Ghetto Theresienstadt, das Ghetto für die „älteren Menschen,“ gebracht.
Auch wurden Klara Grünbaum, geb. Schloss, Gattin von Hugo und Hulda Grünbaum, geb. Schlesinger, Gattin von Karl nach Ghetto Theresienstadt deportiert. Minna Grünbaum, verheiratet Rosenthal, was im 1942 Witwe.
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Hulda Grünbaum hat den Krieg als Einzige überlebt. Im Februar 1945 wurde sie mit weiteren 1200 KZ-Häftlingen gegen einen Geldbetrag, der von sämtlichen jüdischen Organisationen an die Nationalsozialisten überwiesen wurde, freigelassen. Hulda nahm sofort den Kontakt zu ihrer Tochter Ilse auf und fuhr ein Jahr später zu Ilse nach England. Nach dem Krieg, im Jahr 1948, fuhren Mutter und Tochter zu Kurt, Huldas Sohn und Ilses Bruder, nach Australien.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die Familie Grünbaum über drei Kontinente verstreut. Hulda Grünbaum und ihre beiden Kinder lebten in der Gegend von Melbourne in Australien. Kurt änderte seinen Namen offiziell auf Ken Green; Ilse blieb zwar weiterhin Ilse, änderte aber ihren Nachnamen nach der Heirat auf Meller. Mira Sommer, die älteste Tochter von Hugo und Klara, war in Italien. Sie, ihr Mann Arno und der gemeinsame Sohn überlebten den Krieg. Arnos Mutter, die zusammen mit ihrem Sohn und Schwiegertochter aus Deutschland geflohen war, wurde allerdings im Jahr 1943 aus Italien ins Vernichtungslager Auschwitz deportiert.
Im Mai 1948 verließen Arno und Mira und Sigfried Italien und gingen in die USA. Sie zogen nach Worchester, Massachusetts. Arno wurde wieder Polsterer und Sigfried, 24 Jahre alt, studierte an der Clark University in Worchester. Im Jahr 1970, heiratete Sigfried Dorothy Zito in Boston und sie wohnten in Boston. Irgendwann sind sie nach Allston, eine Kleinstadt in der Nähe von Boston, gezogen.
Am 9 Februar 1991 starb Arno Sommer in Worchester, und danach hat Mira etwas Zeit in Allston gewohnt. Am 4 August 200o verstarb Mira Sommer, geb. Grünbaum, in Worchester; sie war 97 Jahre alt. Sigfried und Dorothy lebten weiter in Allston; im Jahr 2012 ist Dorothy gestorben und am 14 August 2014 verstarb Sigfried.
Am 27. November 2019 wurden Stolpersteine für die Familie von Hugo Grünbaum, das erste Kind un Sohn von Noah Grünbaum (und seiner ersten Frau Minna Friedmann) vor dem Haus in der Bahnhofstrasse verlegt. Ein Nachfahre der Familie von Noah Grünbaum ist aus Australien nach Themar gekommen um an der Verlegung teilzunehmen.
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Anmerkung: Im Jahr 2014 haben wir den Kontakt zu den Enkelkindern von Karl und Hulda Grünbaum in Australien aufgenommen und haben den Zugang zu ihrem Familienarchiv bekommen. Lynda Green, die älteste Tochter von Ken Green, hatte zum Beispiel einen Stammbaum, auf dem die Namen ihrer Großeltern und ihrer Urgroßeltern stehen. So haben wir erfahren, dass Karl Grünbaums Mutter Josephine, genannt ‚Sophine‘ war, und dass Sophine mit Noah Grünbaum verheiratet gewesen ist. Bevor wir diese Information hatten, war es unmöglich Karl Grünbaum weder der Familie von Noah noch der Familie von Loeser zuzuordnen. In dem Buch „Ausgelöschtes Leben: Juden in Erfurt 1933 – 1945. Biographische Dokumentation“ von Jutta Hoschek findet man zudem einiges über das Leben von Karl und Hulda Grünbaum in Erfurt. die korrekte Schreibweise des Namens fanden wir dem Buch „Ausgelöschtes Leben: Juden in Erfurt 1933 – 1945. Biographische Dokumentation“ von Jutta Hoschek]. Bevor wir diese Information hatten, konnten wir Karl Grünbaum weder der Familie von Noah noch der Familie von Loeser zuordnen.
Mit Hilfe von Lyndas Stammbaum und anderen Dokumenten aus dem Familienarchiv, haben wir außerdem herausfinden können, dass Huldas Eltern Abraham und Fanni Schlesinger hießen. Damit haben wir nun die Namen von einem weiteren jüdischen Paar aus der Großelterngeneration.
An dieser Stelle möchten wir uns ganz herzlich bei den Enkelkindern von Karl und Hulda Grünbaum bedanken, die ihr Wissen mit uns geteilt, und die Dokumente aus ihrem Familienarchiv uns zur Verfügung gestellt haben.
Sollten Sie weitere Information, Kommentare oder Fragen haben, schreiben Sie uns bitte an [email protected] oder [email protected]. Wir freuen uns sehr darauf, von Ihnen zu hören.