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2019: Stolpersteine für die Familien Frankenberg und Grünbaum

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„Jahr für Jahr erinnert die Themarer Stadtbevölkerung an ihrer ehemaligen jüdischen Einwohner. Achtunddreißig (38) Stolpersteine sind zu ihrem Andenken schon in der Stadt verlegt, um an sie zu erinnern. Am Mittwoch [27. November 2019], sind weitere 13 dazu gekommen.“

Themar – „Ein Spaziergang auf den Spuren meiner Vorfahren“, so beschreibt Garry Meller seinen Besuch in Themar am Mittwochmorgen. Er ist ein Nachkomme der Familie Grünbaum, die einst in Themar lebte. Er fügt hinzu, dass er sich hier sehr willkommen fühlt. Und er ist sichtlich gerührt, dass Menschen, die ihm fremd sind, ein Denkmal für seine Vorfahren errichten.

13 neue Stolpersteine

Stolpersteine für die Familien Frankenberg/Sander. Bild: J. Hanf

Es ist kalt Es und nieselt an diesem Mittwochmorgen. Trotzdem kommen immer mehr Menschen, um sich an der Verlegung der Stolpersteine zu beteiligen. Auch die Klasse 9a der Anne-Frank-Schule ist dabei. Renate Meyer-Merkl ist aus Köln gekommen. Sie ist eine Verwandte des letzten jüdischen Lehrers von Themar, Moritz Levinstein. Die Brüder Poul und Arne Müller kamen ebenfalls aus Dänemark, sie sind Nachkommen der Familie Max Müller I. Mitglieder des Vereins „Themar meets Europe“ und einige andere Nachfahren der Themarer Juden sind in die Stadt zurückgekehrt, um an dieser jährlichen Veranstaltung teilzunehmen. Aus der Thüringer Staatskanzlei kam Staatssekretärin Babette Winter, auch Vize-Landrat Dirk Lindner und Bürgermeister Hubert Böse begleiten die Verlegung der 13 Stolpersteine.

Die ersten Stolpersteine wurden vor einem Bekleidungsgeschäft in der Bahnhofstraße 23 verlegt. Die Familie Grünbaum hatte dort ein Textilgeschäft, erklärt Sabine Müller vom Verein „Themar meets Europe“. Vor dem Haus sind insgesamt sechs Steine in der Pflasterung versenkt. Steine für Hugo Grünbaum und seine Frau Klara, ihre Tochter Else Neuhaus und ihren Mann Arthur und deren Tochter Inge. Und für Hugos und Klaras Sohn Hans Grünbaum, der als einziger überlebt hat.

Der Großvater von Garry Meller, Karl, wurde ebenfalls in Themar geboren, ging aber 1913 nach Erfurt. Karls Sohn Kurt floh zunächst nach England und ging später nach Australien.

Garry Meller erklärt, dass er erst vor fünf Jahren begann, sich über seine familiären Verbindungen zu informieren. Auf der Suche nach Informationen landete er auf der sehr informativen Website über die Themarer Juden, die von Sharon Meen entwickelt wurde. So konnte er seinen Familienstammbaum bis in die 1700er Jahre zurückverfolgen.

„Die Geschichte ist in Erinnerung geblieben und die Familie ist nicht vergessen“, sagt Garry Meller. Er sieht aber auch, dass antisemitische Tendenzen immer noch vorhanden sind. „Indem wir uns an die Vergangenheit erinnern, können wir dazu beitragen, die Zukunft zu verändern“, hofft er.

Stolpersteine für die Familien Frankenberg/Sander. Bild: J. Hanf

Ein weiterer Stolperstein befindet sich auf der anderen Straßenseite. Er soll an Meta Krakauer (geb. Frankenberg) erinnern, die dort ebenfalls ein Textilgeschäft hatte. Im Jahr 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Sie war die einzige Themarer Jüdin, die ein Konzentrationslager überlebte. Sie starb 1955 im Alter von 88 Jahren in Dinslaken. Themars Bürgermeister Hubert Böse zitiert an dieser Stelle Ludwig Mühlfelder mit der Mahnung, dass die heutige Jugend nicht für die Taten ihrer Vorfahren verantwortlich gemacht werden kann, aber man kann erwarten, dass sie sich mit den Verbrechen ihres Volkes auseinandersetzt. „Es war die industrielle Vernichtung von Menschen,“ so Böse. „Wir müssen mahnen und alles dafür tun, dass so etwas nie wieder passiert.“

Ehemaliges Wohnhaus der Familien Frankenberg und Sander. Foto: Joachim Hanf.

Vor einem Haus in der Leninstraße wird an zwei weitere Familienerinnert. Je drei Steine ehren die Familie Frankenberg und die Familie Sander. Dort wohnten Klara Frankenberg und ihre Kinder Paula und Lothar. Klara, 79 Jahre alt, wurde 1942 in Theresienstadt ermordet. Paula Frankenberg wurde zunächst in das KZ Ravensbrück und später nach Auschwitz gebracht, wo sie 1942 ermordet wurde. Lothar Frankenberg wurde im November 1938 in Buchenwald in „Schutzhaft“ genommen. Im Jahr 1939 gelang ihm die Flucht nach England und später nach Kanada, wo er bis zu seinem Tod 1975 lebte.

Louis Sander [der Ehemann der 1938 verstorbenen Hilda Frankenberg] floh 1939, nachdem er im November 1938 in sogenannte „Schutzhaft“ genommen und nach Buchenwald gebracht worden war. Er kam über Shanghai in die USA. Seine Tochter Marion Sander konnte ebenfalls 1939 aus Deutschland fliehen und lebte in San Diego. Marions Bruder Norbert wurde im November 1938, im Alter von 17 Jahren, in sogenannte Schutzhaft genommen. Eine Flucht war für ihn nicht möglich, da er an Epilepsie litt. Norbert wurde im Rahmen des Euthanasieprogramms der Nazis in der Tötungsanstalt Hadamar ermordet.

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Staatssekretärin Babette Winter dankte dem Künstler Gunter Demnig, der mit seinem Konzept das größte dezentrale Mahnmal geschaffen hat. Sie lobte auch das Engagement der Themarer Bürgerinnen und Bürger, die an Menschen erinnern wollen, die einmal Bürger dieser Stadt waren. „Mit der Verewigung ihrer Namen geben sie der Stadt ein Stück zurück“, sagte Winter. Sie hatte nach einem Besuch in Themar im Sommer zwei Steine gestiftet. Erinnern, sagt sie, ist eine Sache. „Aber wir müssen auch heute wachsam sein, denn es ist bitteres Wissen, dass die Zustimmung zu antisemitischen Äußerungen auch in Thüringen wieder zunimmt“, sagt sie und verweist auf den Thüringen-Monitor, der in den nächsten Tagen erscheinen wird.

Dirk Lindner schloss sich ihren Worten an und mahnte, dass man denjenigen, die den Holocaust verharmlosen und abtun, entschieden entgegentreten müsse.

Die Zeremonie schloss mit einem Gedicht.

„Ich liege auf der Straße. Die Menschen gehen achtlos an mir vorbei. Ich bin so wertvoll. // Ein Name ist eingraviert mit Daten // Ein Platz auf der Erde. – Ein Mensch. Jedes Leben ist wertvoll.“

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