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Kapitel 2: Hildburghäuser Strasse

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Vom Oberem Tor bis zur Kirche.
5. Heun Haus, 1983 (#8). Photo: Arnold.

Hier sind wir in der Hildburghäuser Straße. Das Haus rechts ist sehr alt. Eine Familie Heun hat dort gelebt. Sie hatten einen Ziegenbock und es stank dort entsetzlich. Alle Leute brachten ihre Ziegen dorthin.

(Anmerkung: Die Hildburghäuser Straße hatte in seiner Lebenszeit viele Namen. Im Jahr 1899 war sie einfach als Oberstadtstraße bekannt, im Jahr 1921, als Manfred Rosengarten geboren wurde, hieß sie Hildburghäuser Straße. Im Jahr 1933 wurde sie in Hindenburgstraße umbenannt und nach dem Zweiten Weltkrieg in Ernst-Thälmann-Straße.)

6. Gasthaus „Zur Krone“, links, 1983 (#77) Photo: Arnhold.

Es sieht fast genau so aus wie vor 50 Jahren!

7. Nochmal Gasthaus „Zur Krone“ 1983 (#77) Photo: Arnhold.

Das Gasthaus „Zur Krone“ war das Clubhaus eines konkurrierenden Fußballclubs „Themar Blau Weiß“. Wir haben es „Husch Club“ genannt. Schräg gegenüber war unser Verein im Gasthaus „Zum Hirsch“ (#10). Unser Club hieß „Themar Grün Weiß.“ Unsere Leute waren selbstverständlich viel besser als die „Husch.“ Mein Vater war sehr aktiv mit der Jugendabteilung des Sport-vereins in Leichtathletik, Schwimmen und Fußball. Einmal habe ich den ersten Platz in 100 Meter und 800 Meter bei einem regionalen Sportwettkampf gegen starke Konkurrenz gewonnen.

8. Hildburghäuser Strasse in der Richtung Kirchplatz, 1983. Photo: Arnhold.

Wenn wir von unserem Standort zurückschauen, sehen wir das Haus auf der linken Seite (# 11), in dem Karl Trümpert, ein alter Schulkamerad wohnte. Als Freundin hatte er ein Mädchen, mit der ich wegen der Nürnberger Rassegesetze der Nazis nichts zu tun haben durfte. Sie hieß Margarete Reinhardt, und wir waren die einzigen Kinder in unserer Klasse, die nicht „evangelisch“ sagten, wenn regelmäßig die Frage nach der Religion für die Statistik auftauchte. Sie sagte „Freigeist“ und ich sagte „mosaisch, Moishe Rabainu,“ – oi.

Bitte beachten Sie das Pflaster. Das ist ein sehr altes Kopfsteinpflaster aus Basalt. Wenn es regnete oder gefroren hatte, war es glatt wie Glas.

 

9. Früher die Synagoge, Hildburghäuser Strasse 17, 1983 (#29). Photo: Foto-Mittag Themar/Thür.

Das Heiligtum (die Synagoge) war im Obergeschoss mit einer Schranke auf der Rückseite für die Frauen-Abteilung versehen entsprechend der Tradition, obwohl es angeblich eine „liberale“ Schule war. Aber Gewohnheiten sterben langsam. Unten wohnte Lehrer Levinstein, er war unser Chasan (Vorbeter, Kantor), Schochet (Schächter) und Prediger. Er zelebrierte Hochzeiten, Beerdigungen und Bar-Mitzvahs. Gott sei Dank, er war kein Moel (Ostjude). Mein Großvater war der Schamasch, der Diener der Synagoge. Übrigens, die Ner Tamid (Ewiges Licht) war ein großer roter Stein. An die hebräische Inschrift kann ich mich nicht erinnern, aber auf der einen Seite waren ein großer Freimaurerwinkel und Kompass. Der Glasbläser hat den Davidstern mit dem freimaurerischen Zeichen verwechselt.

Meine Großeltern lebten in einer Wohnung an der Rückseite des Heiligtums (Synagoge). Sowohl meine Mutter als auch mein Onkel Oskar wurden in diesem Haus geboren. Mein Großvater und der Lehrer hatten den ziemlich großen Garten zwischen sich aufgeteilt, so dass wir Gemüse, Kartoffeln usw. anbauen konnten. Das war während der Depression in den 1920iger Jahren sehr gut, sonst hätten wir noch weniger zu essen gehabt.

Einmal bauten mein Bruder und ich eine Sukka (Laubhütte), obwohl wir die Erlaubnis vom Herrn Lehrer dazu nicht hatten. Aber die Kehilla (Gemeinde) lobte uns und sie setzten sich eine Weile in sie hinein.

Im hinteren Teil des Gartens gab es einen großen Apfelbaum. Die Äpfel wurden mit viel Zucker zu Marmelade gekocht. Es war ein guter Baum für ein Baumhaus. Es gab auch eine Rasenfläche. Das Gras wurde aufgeteilt. Wir hatten einen Haselnussbusch und eine natürliche Wasserstelle, besser ein Wasserloch, wo wir die Eimer und Kannen füllen und den Garten gießen konnten – das war eine anstrengende Arbeit.

Einmal hatte ich ein Segelflugzeug aus dem Holz des Apfelbaumes gebaut. Es krachte gegen den nahen Schornstein einer Bäckerei.

10. Buchhandlung u. Leihbibliothek, 1983 (#78) Photo: Arnhold.

Dieses Haus steht in der Straße gegenüber von dem Haus im Bild darunter. Das erste zeigt die Buchhandlung und Leihbibliothek. Auch die Zeitung, Themarer Zeitung, wurde hier veröffentlicht. Der Besitzer war ein deutscher Nationalist und früher Nazi.

Auf der Rückseite gab es ein seltsames Gerät. Wir brachten unsere Wäsche hierher und rollten sie um große Rollen, die auf einen Tisch gelegt wurden. Dann wurde eine große Kiste, die mit Steinen gefüllt war, über die Rollen hin und her bewegt, so dass die Wäsche  — Bettwäsche, Handtücher usw. — gebügelt wurde. Das war eine Mangel. Das sparte vieles Bügeln. Wir hatten kein elektrisches Bügeleisen. Entweder wir erhitzten einen eisernen Block im Ofen, den wir dann in die Eisen legten oder wir benutzten Kohlen für die feineren Sachen.

11. Die Apotheke, 1983 (#28 ) Photo: Arnhold.

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