„Enemy Aliens“ (Feindliche Ausländer) — Internierung in England 1939 – 1940

Isle of Man Post, Official First Day Cover, September 2010.

Als Großbritannien im September 1939 in den Krieg eintrat, gab es etwa 80 000 potentiell feindliche Ausländer im Land. Damit gemeint waren Menschen aus Deutschland und Österreich, von denen man glaubte, sie würden möglicherweise als Spione für Deutschland arbeiten. 55 000 von diesen Menschen waren Flüchtlinge, die aus Nazideutschland geflohen waren, die meisten, weil sie Juden waren. Nach dem Beginn des Krieges hat man in England diese Menschen vor ein Tribunal gestellt, um ihren „Grad der Loyalität“ festzustellen. Dabei wurden drei Kategorien eingeführt: A = Hochsicherheitsrisiko; B = Fragwürdig; C= Keinerlei Sicherheitsrisiko. Zunächst internierte die britische Regierung nur die 568 Menschen, die in die Kategorie A eingestuft wurden. Bei den Menschen aus der Kategorie B (etwa 6 800 Personen) und aus der Kategorie C (etwa 65 000 Personen) handelte es sich hauptsächlich um die 55 000 Flüchtlinge, die dem Naziregime entkommen waren. Die Menschen, die in die Kategorie B eingestuft wurden, blieben zunächst mit Ausnahmen einiger Einschränkungen, frei; die Menschen aus der Kategorie C waren ganz frei.

Die Markierung „A“ zeigt die Stadt Sandwich, in der sich das Kitchener Camp befand.

Im Frühling 1940 löste der unaufhaltsame Marsch der Deutschen durch Europa in England viel Angst und Schrecken aus. Die Deutschen hatten gerade Holland und Belgien angegriffen, als Winston Churchill zum Premierminister gewählt wurde. Das hatte zur Folge, dass sofort eine neue Sicherheitspolitik eingeführt wurde. Zunächst ging am 12. Mai der Befehl heraus, dass alle Männer aus Deutschland und Österreich, die an der Küste von England und Scotland lebten, temporär interniert werden mussten, sofern sie im Alter zwischen 16 und 60 waren.

Julius Kahn, der in Themar im Jahr 1896 geboren wurde, war unter den ersten, die verhaftet wurden. Er wurde am 12. Mai 1940 im Lager Kitchener Camp, 2,5 Meilen (etwa 4 km) von der südlichen Küste Englands, in Haft genommen.

Ein zweiter Befehl ging nur wenige Tage später, am 16. Mai, heraus und verlangte die Internierung von allen Menschen (dieses Mal Männer und Frauen), die in die Kategorie „B“ eingestuft wurden und sich irgendwo in Großbritannien befanden, egal wo. Am 2. Juni 1940 wurden dann die verbleibenden erwachsenen Männer im Alter zwischen 16 und 70 interniert, sofern sie einer der Nationalitäten der feindlichen Staaten angehörten.

„A“ is St. Albans.

Adalbert Stern, geb. 1917 in Themar, war einer der letzten Flüchtlingen, die interniert wurden. Wie Julius verließ auch Adalbert Deutschland nach der Reichspogromnacht (Kristallnacht). Er bekam Anfang 1939 ein Visum für England, welches ihm erlaubte in der Landwirtschaft zu arbeiten. Das tat er dann auch und sammelte Rosenkohl in der Nähe von St. Albans. Wegen der Entfernung zur Küste wurde Adalbert erst am 7. Juli 1940 verhaftet. Das war fast zwei Monate später als die Internierung von Julius Kahn.

Insgesamt wurden etwa 27 000 Menschen interniert. Darunter waren deutsche und österreichische Künstler, Ärzte, Wissenschaftler, auch diejenigen, die öffentlich gegen das Naziregime waren und sogar die, die seit ihrer Kindheit in England gelebt hatten.

Moorag Internment Camp

Zu dieser Zeit waren etwa achtzig Prozent der Flüchtlinge in England Juden. Obwohl sie auf verschiedene Internierungslager im Land verteilt wurden, wurden im Kitchener Camp, in dem Julius Kahn war, fast ausschließlich jüdische Flüchtlinge gefangen gehalten.

In den anderen Lagern gab es unter anderem auch Deutsche, die Anti-Nazis waren, deutsche Kommunisten, getaufte Juden und Flüchtlinge, die keine Volkszugehörigkeit hatten. Dann, als das deutsche Handelsschiff „Adolf Wehrman“ sank, kamen deutsche Seeleute ins Lager dazu. Diese waren hauptsächlich Nazis oder solche, die sich mit der Naziideologie identifizierten, wodurch es verständlicherweise zu Eskalationen im Camp kam. Erwin Frenkel, einer der Dunera Boys, der in Seaton interniert war, beschreibt, wie Kaminsky, ein ehemaliger Häftling aus einem Konzentrationslager in Deutschland den KZ-Wachmann erkannte und auf diesen mit den Worten „Jetzt werden wir abrechnen mit dir Schweinehund“ losging. Zwar konnten die Soldaten einen möglichen Mord an dem Seemann verhindern und hatten dafür gesorgt, dass das potenzielle Opfer in ein anderes Lager kam, jedoch wurden die wiederholten  Bitten der jüdischen Internierten, von den Nazis getrennt zu werden, vollkommen ignoriert.

Die nächste Frage, die sich der Regierung stellte, war, was mit den Internierten passieren sollte. Die Antwort: sie sollten auf die Kolonialstaaten verteilt werden. Somit begann die britische Regierung Mitte Juni Gespräche mit Australien und Kanada, ob sie die 12 000 Männer, von denen 2 500 Nazis waren, aufnehmen könnten. Der australische Premierminister Robert Menzies antwortete, dass Australien die Hälfte der Internierten und alle Kriegsgefangenen aufnehmen würde. Kanada erklärte sich ebenfalls dazu bereit, Internierte aufzunehmen. So wurde am 24. Juni 1940 das erste Schiff, die „Duchess of York“, mit rund 2 602 Internierten an Bord, nach Nordamerika entsandt. Diesem Schiff folgte die Arandora Star. Die Aradona Star lief am 30. Juni aus und hatte 1 574 Menschen an Bord; 1 213 von ihnen waren Internierte. Die Aradona Star wurde nur wenige Stunden, nachdem sie Liverpool verlassen hatte, torpediert, wobei mehrere hundert Menschen ihr Leben verloren. Doch die britische Regierung ließ sich davon nicht abschrecken und schickte wie geplant am 3. Juli das Schiff Ettrick mit 3 062 Internierten und am 7. Juli das Schiff Sobieski mit 1 828 Internierten nach Kanada. Die nächsten Schiffe sollten dann nach Australien fahren, allerdings war die HMT Dunera, das erste, und wie sich herausstellte, auch das letzte Schiff, das am 07. Juli 1940 nach Australien auslief

Die ersten die an Bord der Dunera gebracht wurden, waren die knapp über 400 Überlebenden vom Schiff Arandora Star. Diese konnten über ihre Situation nicht entscheiden; auch die über 500 deutschen und italienischen Kriegsgefangenen, die an Bord kamen, wurden nicht nach ihrer Meinung gefragt. Die anderen 1 500 Männer gingen dagegen fast alle freiwillig auf das Schiff, nachdem die Lagerkommandanten ihnen falsche Versprechen gemacht hatten. Unter anderem wurde den sogenannten „feindlichen Ausländern“ versprochen, dass sie, abgesehen von ein paar kleinen Einschränkungen, in Übersee frei wären. Man sagte ihnen außerdem, dass sie in ihren gewünschten Berufen arbeiten könnten und dass ihre Familien entweder mit ihnen kommen oder aber ihnen kurze Zeit später folgen würden. Wegen dieser Versprechen waren beispielsweise fast alle Internierten aus dem Lager Huyton, die auf die Dunera gingen, freiwillig dabei.  Aus mehreren anderen Lagern kamen viele verheiratete Männer dazu, weil die Offiziere in diesen Lagern den Internierten sagten, dass sie nach Kanada gehen würden und ihnen versprachen, dass es für sie ganz leicht wäre, von Kanada aus in die USA zu gelangen, sofern sie ein Visum hatten oder kurz davor waren eins zu bekommen. Die Offiziere gingen sogar so weit, dass sie den Männern eine Adresse in Kanada nannten, wohin sie angeblich gebracht würden. Endlich in die USA zu kommen, war natürlich eine große Motivation für die Menschen, insbesondere weil sie dachten, dass sie so auch noch die Kosten für die Überfahrt sparen würden. Am Ende sagten die Kommandanten den Internierten, dass sie 80lbs (etwa 36 kg) an Gepäck mitnehmen könnten und dass sie auf dem Schiff Zugang zu ihren Sachen haben würden. Die Männer hatten somit ihre wertvollsten Sachen dabei, als sie die HMT Dunera erreichten.

„A“ ist das Kitchener Camp, (Julius Kahn) „B“ ist St. Albans (Adalbert Stern), „C“ ist Isle of Man, und D ist Liverpool, der Hafen, von dem die HMT Dunera auslief.

Anfang Juli kamen die Wachen plötzlich zu den Internierten und sagten, dass sie umziehen würden und dass sie nur die Sachen mitnehmen sollten, die sie tragen konnten. Militärfahrzeuge brachten die Internierten zum Sandwicher Bahnhof; die Wachen waren freundlich und halfen den älteren, kranken und schwachen Männern ihre Sachen zu tragen. Die Internierten fuhren in der Nacht nach Liverpool und wurden dann auf ein Dampfschiff gebracht, ohne dass man ihnen sagte, was das Ziel ihrer Reise war. Das Dampfschiff brachte die Internierten auf die „Isle of Man“, wo die britische Regierung weitere Mitreisende festhielt, bevor sie mit der Dunera nach Australien verschifft wurden. Auf der Isle of Man wurde den Internierten bewusst, dass sie von nun an nicht mehr als Zivillisten, sondern als Kriegsgefangene behandelt werden würden, da sich bei den Wachmännern und der Bevölkerung das Gerücht verbreitet hatte, es handelte sich bei den Internierten um deutsche Fallschirmspringer.

Das Schiff HMT Dunera verließ Liverpool am 10. Juli 1940.

Hiermit möchten wir uns ganz herzlich bei Caroline Harris von der University of British Columbia bedanken, die die Geschichte der HMT Dunera und der Männer aus Themar, die auf der Dunera waren, erforschte.

Quellen:
National Archives of Australia, NAA: MP1103/2, E39864
NAA: MP1103/1, E39864
NAA: SP11/2, GERMAN/KAHN J
NAA: MP1103/1, E40733
NAA: MP1103/2, E40733
Bartorp, Paul R. Australia and the Holocaust. Melbourne: Australian Scholarly Pub., 1994.
Blakeney, Michael. Australia and the Jewish Refugees. Sydney, NSW: Croom Helm Australia, 1985.
Koch, Eric. Deemed Suspect: A Wartime Blunder. Toronto/New York: Methuen, 1980.
Patkin, Benzion. The Dunera Internees. Stanmore, N.S.W. : Cassell Australia, 1979.
Pearl, Cyril. The Dunera Scandal: Deported by Mistake. London: Angus & Robertson, 1983.