Der Beginn des Unternehmens Barbarossa im Juni 1941 – der Versuch die Sowjetunion zu besiegen – gilt als ein Wendepunkt in der Politik der Nationalsozialisten in Bezug auf das sogenannte „Judenproblem“ in Deutschland. Die Nazis einigten sich darauf, dass eine staatlich gelenkte Umsiedlung der Juden aus Europa in den Osten eine viel bessere Lösung wäre, als für sie irgendwo in Übersee einen Zufluchtsort zu finden. Im Juli 1941 beauftragte Göring Heydrich damit ein Konzept zu entwerfen. Hitler versprach unterdessen seinem engsten Kreis, dass die deutschen Juden in den Osten abgeschoben würden, sobald die Sowjetunion besiegt sei, voraussichtlich noch vor dem ersten Schneefall Mitte Oktober.
Zu der Zeit gab es bereits eine sporadische Zwangsumsiedlung der deutschen Juden. So wurden im Februar 1940 beispielsweise über 1 000 deutsche Juden von Stettin etwa 900 km weiter südlich in die Dörfer bei Lubin im besetzten Polen deportiert. Eins dieser Dörfer war Bełżyce, der spätere Deportationsort für die erste große Deportation der Juden aus Thüringen. Im Oktober 1940 trieben die Machthaber in Baden aus eigener Initiative, 6 500 Juden aus Baden zusammen und deportierten diese nach Gurs an der spanischen Grenze. Im Februar 1941 wurden 500 weitere Juden aus Wien in den Osten gebracht.
Mitte September 1941 gab es zweierlei Änderungen: erstens änderte Hitler seine Strategie zur Lösung der „Judenfrage“ und befürwortete eine rasche, systematische, vom Staat kontrollierte Massendeportation der Juden aus dem Großdeutschen Reich (Deutschland, Österreich, Böhmen/Mähren), die seine politischen Berater aus Hamburg und Berlin, darunter auch Goebbels, vorschlugen. Zweitens sollte die Zwangsumsiedlung in den Osten vor dem Ende des Krieges mit der Sowjetunion abgeschlossen sein, wie aus einem Befehl ersichtlich wird, den Himmler am 17. September 1941 weitergab:
„Der Führer wünscht, daß möglichst bald das Altreich und das Protektorat vom Westen nach dem Osten von Juden geleert und befreit werden. Ich bin daher bestrebt, möglichst noch in diesem Jahr die Juden des Altreichs und des Protektorats zunächst einmal als erste Stufe in die vor zwei Jahren neu zum Reich gekommenen Ostgebiete zu transportieren, um sie im nächsten Frühjahr noch weiter nach dem Osten abzuschieben. Ich beabsichtige, in das Litzmannstädter Ghetto, das, wie ich höre, an Raum aufnahmefähig ist, rund 60.000 Juden des Altreichs und des Protektorats für den Winter zu verbringen.“
Die Befehle wurden schnell ausformuliert und sofort in die Tat umgesetzt. Jeder Transport musste mindestens tausend Menschen befördern. Die Transporte sollten sich zunächst hauptsächlich auf die großen Städten fokussieren, insbesondere in Berlin, wo im Jahr 1941 die meisten Juden (auch sehr viele Juden aus Themar) lebten.
Nur wenige Wochen später fuhren bereits die ersten Transporte in Richtung Ghetto Litzmannstadt: Am 15. Oktober 1941 verließ ein Transport mit über Tausend Juden Wien. Am 16. Oktober fuhr der erste Transport von Trier los — auf diesem Transport waren unter anderem auch zwei Mitglieder aus der Gemeinde Themar: Hugo und Eva Friedmann. Am 18. Oktober wurden rund Tausend Juden von Berlin deportiert. Bis zum 1. November 1941 war die erste Welle der Deportationen beendet — über 10 000 deutsche Juden waren ins Ghetto Litzmannstadt gebracht worden. Sie kamen vorwiegend aus großen Städten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg, Düsseldorf und Köln. Danach wurden die Juden in die Ghettos in den besetzten baltischen Staaten gebracht: Riga in Lettland, Kaunas in Litauen und Minsk in Weißrussland.
Ende 1941, d.h. noch vor der Wannseekonferenz und der Errichtung der Vernichtungslager in Treblinka, Sobibor, Belzec und Auschwitz, wurden über 30 000 deutsche Juden in die Ghettos im Osten deportiert. Dort starben die Menschen an Folgen von Hunger, Kälte oder Krankheiten. Viele wurden auch von den Einsatztruppen oder anderen deutschen Militäreinheiten ermordet. Diejenigen, die bis dahin überlebt hatten, erwarteten ein Schicksal, das zu diesem Zeitpunkt noch ungewiss war. Es ist natürlich fraglich, was passiert wäre, wenn Deutschland den Krieg gegen die Sowjetunion gewonnen hätte. Möglicherweise hätten die Nazis dann die deutschen Juden anstelle der bis dahin ermordeten sowjetischen Juden angesiedelt, oder sie hätten sie weiter in den Osten nach Sibirien abgedrängt. Anderseits bot die Ermordung der jüdischen Menschen durch Gas den Nazis eine einfache Alternative, wie sie ihr „Problem“ lösen konnten.
Die Geschichten der Mitglieder der jüdischen Familien aus Themar, die 1941 deportiert wurden, geben uns eine zusätzliche Perspektive, aus der wir die Geschichte des Genozids betrachten können.