Carole Karlsruhe, Market 8, 9 November 2015

HK Plaut 9.11.2015

 

 

 

 

 

 

„Ein paar Worte von dem einzigen Überlebenden der Familie Baer, Stern und Plaut, der in Themar gelebt hat. Ich wurde im Juni 1935 im Krankenhaus Meiningen geboren, das, wie ich glaube, nicht allzu weit von hier entfernt war. Meine deutsche Geburtsurkunde lautete Hanna Karola Sara Plaut, die in Carole Hannah Plaut geändert wurde, als ich amerikanische Staatsbürgerin wurde. Sie erinnern sich vielleicht, dass deutsch-jüdische Mädchen in ihren Geburtsurkunden den Namen Sara und jüdische Jungen den Namen Israel hinzufügen mussten.

Ich verbrachte die ersten fünf Jahre in Themar und erinnere mich nicht an allzu viel.

Ich erinnere mich jedoch daran, dass ich von meinem Haus am Markt 8 in Themar aus aus dem Fenster schaute, als mein Vater Artur Plaut am 10. November, dem Morgen nach der Kristallnacht, nach Buchenwald abtransportiert wurde. Ich glaube mich zu erinnern, dass meine Mutter Elly zu meiner Großmutter Selma sagte: „Halde mal das Kind“. Ich verstand offenbar „wir behalten das Kind“ und war ziemlich erschüttert, als ich diese Worte hörte.

Meinem Vater wurde erlaubt, Buchenwald zu verlassen, und er wurde aufgefordert, Deutschland zu verlassen, was er auch tat, indem er Anfang 1939 nach England ging und meine Großmutter Selma, meine Mutter Elly und mich in Themar zurückließ.

Eine der Begebenheiten, von denen mir erzählt wurde, war, dass einer unserer Nachbarn an uns auf der Straße vorbeiging. Ich fragte meine Großmutter: „Warum sagt Frau…. so und so…. nicht mehr Guten Tag zu uns?“ Meine Großmutter antwortete: „Weil wir Judisch sind.“ Und ich fragte: „Was waren wir früher?“ Es gab noch mehr Vorfälle, aber ich werde sie jetzt nicht erwähnen.

Wie ich schon sagte, wurden meine Mutter Elly, meine Großmutter Selma und ich in einem nicht allzu freundlichen Themar zurückgelassen, konnten aber bald nach Berlin gehen. Dort teilten wir uns eine Wohnung mit anderen jüdischen Menschen, die ebenfalls versuchten, aus Deutschland herauszukommen.

Meine Mutter und ich verließen Berlin mit dem Zug nach Lissabon, Portugal. Von dort segelten wir im August 1941 in die Vereinigten Staaten.

Meine Mutter und ich wurden 1942, nach drei Jahren, wieder mit meinem Vater vereint, als er aus England in New York eintraf.

Meine sehr gute Oma Selma“ hat es leider nicht aus Deutschland herausgeschafft. Sie wurde von Berlin aus deportiert und 1942 im Konzentrationslager Riga umgebracht. Jemand aus Deutschland schickte meinen Eltern ein Telegramm, in dem stand, „dass Selma verreist ist!“ Wir wussten, was das bedeutete! Ich glaube nicht, dass ich jemals wirklich über diesen Verlust hinweggekommen bin. Ich habe meine Oma sehr geliebt.

Meine Eltern sprachen selten mit mir über den Holocaust. Die Ereignisse waren zu traurig und furchtbar/schrecklich, um darüber zu sprechen. Es hinterließ eine traurige Leere in meinem Leben und vielleicht auch in dem vieler anderer.

Zum Glück hatten meine Eltern ein gutes Leben in Amerika, und ich habe es auch. Ich hatte einen wunderbaren Ehemann und habe einen großartigen Sohn, Stuart, eine tolle Tochter, Diane, zwei reizende Enkelkinder, Nathan und Ariella, und ich darf meinen lieben Schwiegersohn Martin nicht vergessen. meine Familie.

Ich möchte Ihnen allen danken, dass Sie uns die Gelegenheit geben, meiner Familie zu gedenken.

Und ich hoffe aufrichtig, dass Deutschland und die gesamte Menschheit eine Lehre aus diesen grausamen und quälenden Jahren gezogen haben: Wir müssen weiterhin in der Gegenwart leben und uns auf die Zukunft freuen. Die Vergangenheit ist nicht zu ändern.

Vielen Dank………“Screenshot 2015-11-11 15.58.07

Siehe auch:
Richard Stern, „Remarks„, 9. November 2015
Achim Hess, „Jüdisches Leben in Themar“, rennsteig.tv (15 min)
Wolfgang Szwietek, „Stolpersteine halten die Erinnerung wach“, Freies Wort, 10. November 2015
Steffen Standke,