Auf der Suche nach neuen Spuren über die Themeraner, brachte eine Google-Suche nach „Meta Krakauer” kürzlich viele Neuigkeiten zutage: vor sechs Monaten hat Anne Prior aus Dinslaken das Buch „Wo die Juden geblieben sind, ist […] nicht bekannt” über die jüdische Gemeinde in Dinslaken veröffentlicht. Das Buch erhielt exellente Kritiken (wie oben in „Geschichte: Licht in dunkle Kapitel der Stadt,“ und sorgte vielerorts für Ausehen. Auch über die Geschichte Themars beinhaltet das Buch interessante Informationen.
Wir wussten bereits eine Menge über Meta Krakauer. Geboren 1866 in Marisfeld in Sachsen-Meiningen, war sie ein Mitglied der großen Frankenberg-Familie, die in den späten 1860er, frühen 1870er Jahren von Marisfeld nach Themar gezogen ist. Meta verbrachte die meiste Zeit ihres Lebens in Themar. Aber mit 74 Jahren, im September 1942, musste sie Themar verlassen, als sie nach Theresienstadt deportiert wurde. Belegt ist, dass Meta den Holocaust im Ghetto Theresienstadt überlebt hat und dass sie die einzige überlebende deportierte jüdische Themeranerin war. Darüber hinaus war bereits bekannt, dass Meta nach dem Krieg nach Dinslaken gezogen ist, da sie 1946 einen zweiseitigen Brief an Gertrud Stubenrauch in Themar schrieb. Dann jedoch hatte sich ihre Spur verloren.
Jetzt lässt sich rekonstruieren, warum Meta nach Dinslaken gezogen ist. Ihre Nichte, Doris Lorenzen geb. Frankenberg, wurde ebenfalls nach Theresienstadt deportiert und war auch dort im Ghetto am Ende des Krieges. Doris hat Meta mit nach Dinslaken, wo sie früher gewohnt hat, genommen. Es gab keinen Grund für Meta zurück nach Themar zu gehen und sie blieb in Dinslaken. Sie starb zehn Jahre später, am 10. August 1955, und wurde in Dinslaken auf dem jüdischen Friedhof begraben. Meta Krakauer war „die einzige Überlebende eines nationalsozialistischen Ghettos, die dort begraben wurde,“ wie Anne Prior in ihrem Buch schreibt.
Die Informationen, die Anne Prior nun geliefert hat, vervollständigen Metas Lebensgeschichte. Aber Priors Recherche brachte auch Details von Doris Frankenberg, verh. Lorenzens, Schicksal hervor, über das bisher wenig bekannt war. Wir wussten, dass Doris 1898 in Themar geboren wurde, da ihr dort im Dezember 1938 der Namenszusatz „Sara“ von der Stadtverwaltung angehaftet wurde. Im entsprechenden Formular ist vermerkt, dass sie 1926 in Krefeld geheiratet und Dinslaken-Lohberg gelebt hat. Weiteres war bisher nicht bekannt. Ihr Name ist in keiner Datenbank zu finden, weder in Ancestry.de, noch im Das Bundesarchiv Gedenkbuch, oder Yad Vashem Database. Daher wussten wir nicht, wie es mit ihr weitergegangen ist. Entweder war sie nach Israel, nach Südafrika oder in ein anderes Land, das nicht in der Ancestry.de-Datenbank enthalten ist, emigriert. Vielleicht war sie vor dem Holocaust gestorben oder hat diesen überlebt. Es gab viele offene Fragen: Wessen Tochter war sie, hatte sie Geschwister, wer war ihr Ehemann, hatte sie Kinder, was ist mit ihr passiert?
Aber jetzt gibt es erste Antworten. Doris Lorenzen, geb. Frankenberg, hat den Holocaust überlebt. Da sie mit einem Nichtjuden, Karl Lorenzen, verheiratet war, schützte sie der Status der Mischehe bis ins Jahr 1944. Prior erzählte weiter:
Am 17. September 1944 wurde [Doris] in Dinslaken verhaftet und von Düsseldorf aus nach Zeitz gebracht. In Minkwitz bei Zeitz mußte sie wie andere jüdische Frauen aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf für die „Organsiation Todt“ Zwangsarbeit leisten. Ebenso wie Anna Dümer wurde sie im Februar 1945 in das „Altersghetto“ Theresienstadt deportiert. Am 18. Februar traf sie mit dem als Transport Nr. XII/10 registrierten Zug in Theresienstadt ein. Doris Lorenzen bekam die Häftlingsnummer 1210496. In Theresienstadt befand sich auch Meta Krakauer, eine Schwester ihres Vaters Nathan. Die 1868 in Marisfeld geborene Frau befand sich seit September 1942 dort. Sie war zur Häftlingsarbeit eingeteilt – ein Umstand, der der zweifachen Witwe laut eigenen Aussagen das Leben retten sollte. Nach der Befreiung von Theresienstadt im Mai 1945 kehrte Doris Lorenzen nach Dinslaken zurück. Im Oktober 1945 eröffnete Doris Lorenzen ihren „Einzelhandel mit Textilien, Wäsche und Putzmittel“ in der Hünxer Str. 363. Meta Krakauer, die alle Angehörigen, bis auf ihre Nichte Doris, verloren hatte, ging mit ihr nach Dinslaken. Sie starb dort am 10. Juli 1955 und wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Dinslaken beerdigt.
Daher wissen wir nun sehr genau, wie Doris in den Frankenbergschen Stammbaum passt. Sie war die jüngste von vier Töchtern von Nathan und Bertha (geb. Rosenthal) Frankenberg. (Nathan war dreizehn Jahre alter als seine jüngste Schwester Meta.) Drei Personen von Doris Familie sind vor dem Holocaust gestorben: ihr Vater, Nathan, im Jahrgang 1920; ihre Schwester, Hilde, verh. Sander, im Jahrgang 1938 eines natürlichen Todes, und ihre Mutter, Bertha, im Mai 1942 auch, glauben wir, eines natürlichen Todes. Sie verlor aber ihre anderen drei Schwestern — Martha Frankenberg, verh. Katz; Lucie Frankenberg. verh. Heinemann; und Ida Frankenberg, verh. Katz — durch den Holocaust. Vom Todesanzeige unten, scheint es als ob Doris einen Sohn, Gerhard, hatte. Im Januar 1970 starb Doris Lorenzen und wurde auf einem katholischen Friedhof begraben.
Auch: Gedenktag: den 20. September 1942
Die Die Deportationen nach Ghetto Theresienstadt 1942
Quelle:
Anne Prior: „Von Dinslaken nach Theresienstadt und zurück. Jüdinnen in Dinslaken nach 1945.“ In: Kreis Wesel Jahrbuch 2013, Duisburg 2012.
Stolpersteine für Dinslaken