Silberhochzeit zweier Städte

Von Wolfgang Swietek
28.09.2015

Schon einige Tage vor der Deutschen Einheit 1990 haben Themar und Gerbrunn (bei Würzburg) ihre Städtepartnerschaft beschlossen. Grund genug, das Jubiläum zu feiern.

Aus Polen und Tschechien, Frankreich und Deutschland sind sie nach Themar gekommen. Sie, die alle längst Freunde und Partner geworden sind. Fotos: W. Swietek (Quelle: Unbekannt)

Themar – Wenn eine Partnerschaft 25 Jahre hält, kann getrost von einer Silberhochzeit gesprochen werden. Da liegt dann der Wunsch nahe, auf die nächsten 25 Jahre anzustoßen, um noch die goldene feiern zu können. Die Stadt Themar und die Gemeinde Gerbrunn konnten am Wochenende dieses Jubiläum feiern. Sie taten dies jedoch nicht unter sich – die Gäste kamen aus Frankreich, Tschechien und Polen. Denn auch sie gehören längst zu dieser Partnerschaft.

Angefangen hatte alles bereits kurz nach der Öffnung der Grenze im Wendeherbst 1989. Im Februar 1990 konnte Bürgermeisterin Heidemarie Kettner die erste Delegation aus Gerbrunn im Rathaus Themar begrüßen. Von „Liebe auf den ersten Blick“ spricht sie in ihrer Erinnerung an diese Begegnung. Auch Stadt- und Gemeinderat der beiden Kommunen sahen dies nicht anders. Die Urkunde der Städtepartnerschaft unterzeichnete dann am 28. September 1990 Nachfolger Klaus Rönick für Themar und sein Amtskollege aus Gerbrunn, Hans Lorke.

Dass diese Partnerschaft nicht bei einem Ratsbeschluss blieb, dass sie immer wieder neu mit Leben erfüllt wird, liegt vor allem daran, dass es in beiden Kommunen engagierte Vereine gibt. In Gerbrunn ist dies der Initiativkreis Gerbrunn für Europäische Städtepartnerschaften, kurz IGEP genannt, während sich in Themar seit nunmehr fünf Jahren der Verein „Themar trifft Europa“ oder TtE darum bemüht.

In beiden Vereinsnamen ist ersichtlich, dass es nicht allein um die beiden deutschen Orte geht, sondern um Kontakte innerhalb von Europa. Während Themar mit Gerbrunn den ersten Schritt einer Partnerschaft eingegangen war, lernten die Stadtvertreter in Gerbrunn deren andere Partnerstädte kennen. Zu denen sie längst auch freundschaftliche Kontakte pflegen. So zu Molsheim in Frankreich, Lesnica in Polen und Cernosice in Tschechien.

Graswurzelpartnerschaft

Gegenseitige Besuche gab es bald nicht nur mit Gerbrunn sondern auch mit den anderen Partnern. „Graswurzelpartnerschaften“ hatte sie einst Thüringens ehemaliger Ministerpräsident Bernhard Vogel genannt, weil er ein Netzwerk von Beziehungen in alle Richtungen darin sah. Oder wie es Peter Thiel, einer der Väter dieser Partnerschaft, formuliert: „Mein Freund ist auch Dein Freund.“ Eine informative Festschrift zum 25-jährigen Jubiläum hat Peter Thiel nun herausgegeben, in der aus verschiedenen Blickwinkeln über dieses Vierteljahrhundert berichtet wird. Zeitzeugen von einst und die Macher von heute schildern ihre persönlichen Erlebnisse und Beweggründe. „Es gibt keine Partnerschaften, außer man lebt sie“, zieht Thiel das Fazit.

Dass sie sich nicht auf dem Erreichten ausruhen, dass sie immer wieder neue Projekte in Angriff nehmen wollen, zeigte die Zusammenkunft am Samstagvormittag. Im Rathaussaal rauchten drei Stunden lang die Köpfe, trugen die Franzosen ihre Vorstellungen für das nächste Jahr vor, stimmten dies mit den Plänen der Tschechen, Polen und Deutschen ab.

Bürgerreisen soll es wieder geben, in verschiedene Richtungen („Damit nicht nur unsere Vereinsmitglieder, sondern viele Einwohner ihre Partnerstädte kennenlernen“). Wichtig ist allen ein Schüleraustausch, weil es die Jugendlichen sind, die rechtzeitig einbezogen werden müssen, soll es in 25 Jahren wirklich eine „goldene Hochzeit“ geben.

Hoffnungsvoll stimmt Sabine Müller, Lehrerin an der Staatlichen Regelschule „Anne Frank“ und Vorsitzende von TtE, dass etliche Schüler aus ihrer Schule mit jungen Leuten aus dem tschechischen Cernosice im Briefwechsel stehen – den sie in englischer Sprache führen. Deshalb gibt es vom Verein organisierte Workshops in Englisch oder Französisch, weil Sprache eine Brücke zwischen den Ländern ist.

Die Ergebnisse eines Workshops Kunst in diesem Jahr, der von den Jugendlichen sehr gut angenommen worden war, überreichten die Schüler während der Festveranstaltung an die Bürgermeister der Partnerstädte. Weit mehr als ein übliches Freundschaftsgeschenk, eher ein Zeichen, dass auch sie sich haben begeistern lassen von dem Blick in ein anderes Land, über den eigenen Tellerrand hinaus. Eine eigene Weltanschauung setzt eben voraus, dass man sich die Welt auch anschauen kann. Bis 1989 eher ein Wunschtraum als die Realität.

Appell zum Handeln

Nicht allein das 25-Jährige mit Gerbrunn stand im Mittelpunkt der Festveranstaltung im Schützenhaus. Natürlich wurde auch der 25 Jahre Deutsche Einheit gedacht, was Hans-Jürgen Salier in einer eindrucksvollen Festrede würdigte. Ein weiterer Höhepunkt war danach ein feierlicher Akt: Philip Korinek, der Bürgermeister aus dem tschechischen Cernosice, und sein Themarer Amtskollege Hubert Böse setzten ihre Unterschrift unter eine hoch offizielle Urkunde. Am 2. April 2011 hatten sie bereits einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet, den sie nun in den Rang einer Partnerschaft erhoben. Sie haben ihre reichlich vier Jahre währende „Verlobung“ beendet und sind die Ehe eingegangen, wie es in der lockeren Art des Abends hieß.

„Viele junge Menschen kennen Europa nur ohne Grenzen, nur mit Euro, nur friedlich.“ Daran erinnern die beiden Bürgermeister Hubert Böse und Stefan Wolfshörndl (Gerbrunn) in ihrem gemeinsamen Grußwort in der Festschrift. Aber auch an die Worte von Willi Brandt: „Nichts kommt von selbst. Und nur wenig ist von Dauer.“ Ein dringlicher Appell zum Handeln, an alle Partner gerichtet.

Aus einem Freundschafts- wurde ein Partnerschaftvertrag – Themar und das tschechische Cernosice sind nun Partnerstädte. (Quelle: Unbekannt)
Aus einem Freundschafts- wurde ein Partnerschaftvertrag – Themar und das tschechische Cernosice sind nun Partnerstädte. (Quelle: Unbekannt)