In Themar und Hildburghausen sind von zwei Mitgliedern der selben Familie die gleichen landwirtschaftlichen Maschinen hergestellt worden.
Von Cornell Hoppe
THEMAR. Manche Dinge kann man schon an ihrem Namen erkennen. Und manche, die muss man gesehen haben, um sich sofort ihren Namen zu erschließen. Wissen Sie,was eine Windfege ist? Klingt ein bisschen, wie ein veraltetes Wort für Staubsauger.Und im Grunde ist es das sogar – nur mit der gegenteiligen Funktion. Statt Staub und Dreck einzusaugen, pustet die Windfege leichten Dreck von sich. Auf diese Weise ist früher in der Landwirtschaft Getreide gereinigt worden. Und genauso, wie dasWort es beschreibt.ÜberTrichter werden die Getreidekörner auf große Siebe gegeben. Per Kurbel (später per Elektromotor) wird ein Windrad angetrieben,das Staub,Spelzen undweitere leichteBestandteile aus derVorrichtung fegt. Im gleichen Zug werden die Siebe gerüttelt, um gröbere Bestandteile auszusieben. Am Ende landen die Getreidekörner gesammeltin einem Korb. Und de facto wird das Prinzip auch heute noch angewandt. Nur wird für die verschiedenen Reinigungsgänge nicht mehr nur ein Gerät handbetrieben verwandt, sondern sie befinden sich heute alle zusammen in großen Maschinen wie Mähdreschern. Im Hennebergischen Museum Kloster Veßra ist ein Ausstellungszweig die Landtechnik. Dort wird auch die Technikgeschichte – von Handwerkszeugen über erste handbetriebene zu elektrischen und automatischen Maschinen erläutert. Und dort steht unter anderem eine solche Windfege. Neben anderen Gerätschaften, die in der Ernte und der Verarbeitung andere Funktionen übernehmen und auch neben einer ersten einfachen Maschine, in der schon viele der kleineren Schritte zusammengefasst sind.
Unternehmergeschichte Die Windfege im Museum in Kloster Veßra erzählt aber nicht nur Geschichte der Landtechnik, sie ist auch Zeugnis jüdischen Unternehmertums in der Region. Denn solche Windfegen und auch andere landwirtschaftliche Geräte, die zum Ende des 19. Jahrhunderts fester Bestandteil in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft waren, stammten aus den Fabriken von „S. Gassenheimer & Sohn Hildburghausen“ oder „E. Gassenheimer & Co. Themar“. Die jüdische Familie Gassenheimer stammt aus Bibra und betrieb dort schon im 18. Jahrhundert einen Eisenwarenhandel. Mehrere Familienmitglieder habenüber die Zeitihr Auskommenindieser Branche. Die Brüder Samuel und Salomon Gassenheimer siedelten Ende des 19. Jahrhunderts nach Themar (Samuel) und Hildburghausen (Salomon) um und gründeten dort jeweils eigene Firmen für den Bau, den Handel und die Reparatur landwirtschaftlicher Maschinen. Die Windfege im Museumstammt aus der Landmaschinenfabrik Gassenheimer. Genauer aus der Hildburghäuser Fabrik. Denn es hat auch eine solche Landmaschinenfabrik gleichen namens in Themar gegeben.Die Familie Gassenheimer ist eine der jüdischen Familien aus Themar, deren Geschichte rechtgut erforschtist. Samuel Gassenheimer starb 1891 im Alter von 55 Jahren. Sein Unternehmen wurde vom ältesten Sohn Julius weitergeführt, der aber 1900 seine Zelte in Themar abbrach und mit seiner Familie nach Nürnberg ging. Die Firma übernahm dann Ernst Gassenheimer und führte sie zu einem der erfolgreichsten Unternehmen Themars. Die Windfegengeschichte und ihre Herkunft hat die Sammlungsmitarbeiterin des Museums, Erika Mosonyi, bereits auf geschriebenund auf demBlog des Hennebergischen Museums veröffentlicht. Hintergrund ist der Besuch von Peter Gassenheimer, einem Nachfahren der Familie. Er wird sich zusammen mit Professorin Sharon Meen unter anderem die Landmaschinen im Museum anschauen. Die kanadische Wissenschaftlerin hat die Erforschung des jüdischen Lebens in Themar maßgeblich vorangetrieben und begleitet.
Zweiter Besuch inThemar Peter Gassenheimer entstammt der Themarer Linie. Ernst Gassenheimer, der letzte Inhaber derThemarer Landmaschinenfabrik war sein Großvater. Es ist Peter Gassenheimers zweiter Besuch in der Werrastadt. Zuletzt ist er 1992, kurz nach der Wende, in Themar gewesen. Er sei damals unangemeldet nach Themar gefahren. „Ich bin herzlich aufgenommen worden“, erzählt Gassenheimer amTelefon.Der83-Jährige lebtheute in London. Er konnte vor etwa 30 Jahren sogar das Haus des Großvaters besuchen, hat vondendamaligen Bewohnerneine Führung bekommen. „Mein Vater hat immer von der Fabrik geredet. Erist damals dafür zuständig gewesen, zu kontrollieren, ob die verkauften Maschinen bei den Bauern aus der Region auch ordentlich laufen“, erzählt er. Es sei eine große Freude für ihn, jetzt noch einmal nach Themar und in die Region zu kommen, um seinen Familienangehörigen nachzuspüren. Er freut sich besonders, mit Sharon Meen zusammenzutreffen, und er freut ich auchdarauf, die Landmaschinenim Museum anzuschauen, die seine Vorfahren gebaut haben. Zudem werden auch Stationen in Bibra, Hildburghausen, Marisfeld zum Besuchsprogramm gehören. Es wird außerdem eine öffentliche Veranstaltung am kommenden Montag, 2. Oktober, geben. Im Amtshaus Themar wird es 19.30Uhr einenVortrag zum Leben der Familie Gassenheimer in der Region geben.