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Sie waren Themarer

Karoline Mayer (geb. Eisenfresser) mit Ilse Mayer u. Flora Wolf, ca. 1926. Quelle: Sammlung Levinstein/Strauss.

In 1900 gab es eine lebhafte jüdische Gemeinde in Themar; im 1943 gab es keine mehr und in 2015 auch keine. Die jüdische Kinder sind damals geflohen — wenn sie konnten — und allmählich und zögernd besuchen ihre Nachkommen jetzt die Stadt. Während Spuren einer jüdischen Gemeinde im frühen 13. Jahrhundert zu finden sind, gibt es eine richtige jüdische Gemeinde in Themar erst in den späteren Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts.

Im Jahr 1865 sind fünf jüdische Familien (z. B. die Gassenheimer) von Bibra 20 km weiter nach Themar gezogen. Im folgenden Jahr, als ein Grossbrand in Marisfeld viele Wohn- und Wirtschaftsgebäude zerstörte, sind weitere sechs jüdische Familien aus Marisfeld (z.B. die Frankenberger) nach Themar gezogen.

Ab 1866 kann man also mit Sicherheit von einer jüdischen Gemeinde in Themar sprechen. Insgesamt können wir Spuren von mehr als 370 Juden finden, die zwischen 1865 und 1943 einige Zeit in Themar verbracht haben. Sie sind hier geboren und/oder gestorben, oder vielleicht haben sie einige Jahre in Themar gewohnt und sind dann woandershin gezogen. Allerdings hat Themar in ihrem Leben eine Rolle gespielt!

Eine Volkszählung im Jahre 1871 ergab, dass Themar eine Bevölkerung von 1,667 hatte: 1,574 Christen (94%) und 93 Juden (6%) in Themar lebten. Im Jahr 1885 waren möglicherweise 6,7% der Bevölkerung jüdische Bürger. Danach und bis 1932 waren mindestens 3% der Stadtbürger jüdisch. Das heisst, als die Bevölkerung von Themar (inkl. Christen) von 1782 im Jahre 1885 auf 2935 im Jahr 1933 anstieg, blieb die Zahl der Juden um 90 bis 100.

Anfangs (1865-70) wurde ein vorhandener kleiner Saal im Haus des Schuhmachermeisters Blau an der Werrabrücke gemietet. 1870 wurde im Haus des jüdischen Bürgers Abraham Walther in der Hindenburgstrasse 17 (später Oberstadt Strasse und jetzt Ernst-Thälmann-Straße 17) ein Betsaal eingerichtet, der zugleich der schulischen Unterweisung diente. Im Jahre 1877 markierte die Einweihung einer Synagoge die formale Bildung einer „Gemeinde.“

Die Gemeinde besaß mit großer Wahrscheinlichkeit auch eine “Mikva” und die Toten wurden auf dem jüdischen Friedhof von Marisfeld bestattet. Im Jahr 1894 wurde das untere Stockwerk des Hauses in der Hindenburgstrasse 17 gekauft und eine jüdische Schule mit Lehrerwohnung eingerichtet. Moritz Levinstein wurde zum beliebten Lehrer in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts.

Nach 1933 wurde alles anders: 1933 wohnten ungefähr 75 Juden (2,5% der Bevölkerung) in Themar. 1935 hatte der Bürgermeister Schorcht eine Liste von 71 Namen vorbereitet. Am 7. März 1938 (8 Monate vor dem 9./10. November Reichspogromnacht, die sogenannte ‘Kristallnacht‘) enthielt seine Liste nur noch 48 Namen. Unter dem ständigen Druck der Verfolgung von den Nationalsozialisten hatten sich viele Themarer Juden entschieden, an andere deutsche Orte zu ziehen und/oder aus Deutschland auszuwandern.

Im Herbst 1939, nachdem der Krieg schon angefangen hatte, waren noch 33 Juden in Themar — von diesen konnten 6 emigrieren, 6 sind verstorben, und 20 wurden ermordet. Nur eine einzige Person von denen, die 1939 noch in Themar waren, hat überlebt, die 77-jährige Meta Krakauer. Es gab in Themar keine jüdische Gemeinde mehr.

Lehrer Moritz Levinstein und Nanett Levinstein (geb. Mayer) vor der Synagoge, ca. 1935. Quellet: Sammlung Levinstein/Strauss.
Die Synagoge in der Hildburghäuser Strasse, ca. 1910. Quelle: Stadtverwaltung Themar

1865-1932: Sie waren Themarer

1933-1938: Die Jahre der Verfolgung

1939-1945: Die Jahre der Vernichtung