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Richard Stern, Markt 8, 9 November 2015

Screen Shot 2015-11-23 at 4.23.13 PM„Mein Bruder, Nick, meine Schwester Naomi und ihr Ehemann Rafal und ich selbst, wir sind hier im Namen aller Juden von Themar und aller Opfer des Holocaust.

Insbesondere sind wir hier für unsere Großmutter – Selma, unsere Großtante Rosa, für unsere Tante Elly und Onkel Artur, unsere Cousine Carole und unseren Vater – (Adal)Bert Stern.

Wir sind auch hier im Namen unseres Bruders Brian und der 13 Enkelkinder sowie der 9 Urenkel unseres Vaters (Adal)Bert.

Heute hier zu sein, ist nicht einfach für uns – wir alle sind hier mit sehr gemischten Gefühlen. Es ist immer noch unfassbar zu begreifen, wie die Bürger dieser kleinen Stadt mit einer langen und hochentwickelten Geschichte und Kultur sich gegen ihre Nachbarn wenden konnten und sich mitschuldig machten an deren Vertreibung und Ermordung. Umso mehr als unsere Eltern und Großeltern loyale und patriotische Deutsche waren. z.B. starb unser Großonkel Julius, Selma’s Bruder, in der Schlacht an der Somme und unser Großvater Herrmann wurde schwer verletzt währen des 1. Weltkrieges. Es ist unbedingt notwendig, dass wir niemals vergessen, was eine Gruppe von Menschen einer anderen antun kann.

Deshalb begrüßen wir es sehr, dass Themar die Ungerechtigkeiten der Vergangenheit anerkennt und diese Stolpersteine eine ständige Erinnerung sein werden. Wir möchten gleich-zeitig den Bürgern von Themar danken für ihre Gastfreundschaft ebenso wie all denjenigen, die den heutigen Tag ermöglicht haben.

Vielleicht hat unser Vater gerade wegen des Leids, das er ertragen musste, uns Kindern die Bedeutung von Menschlichkeit beigebracht, die Sorge um den Nachbarn und den Kampf gegen Ungerechtigkeiten. Er war nicht voreinge-nommen anderen Menschen gegenüber, war immer optimistisch und sah hoffnungsfroh in die Zukunft der Menschheit. Er beurteilte die Menschen nicht danach, was sie sagten und woher sie stammten, sondern nach ihren Werten, ihrem Charakter und was sie besonderes für andere Menschen taten. Er glaubte ebenso an die Bedeutung der ernsthaften Bildung, durch die zukünftigen Generationen die Lektionen der Geschichte nahegebracht werden und dadurch die internationale Gemeinschaft immer enger aneinanderzubinden. Wir wiederum haben uns bemüht diese Wertvorstellungen und dieses Streben an unsere Kinder und Enkelkinder weiterzugeben.

Während unser Vater also sicher die Anerkennung der begangenen Unmenschlichkeit begrüßt hätte, die durch die Verlegung dieser Stolpersteine ausgedrückt wird,   es hätte ihn aber sicher noch mehr bewegt wie offen und ehrlich sich die Deutschen ihrer Geschichte gestellt haben und ihre Jugend erzogen haben im Wissen um die belastete Vergangenheit. Diese Handlungen sind umso bemerkenswerter, da einige andere Länder immer noch ihre eigene Komplizenschaft ehrlich anzuer-kennen haben. Unser Vater war ebenso erfreut über die Führungsrolle, die Deutschland bei der Bildung des Vereinten Europas eingenommen hat – die wiederum entscheidend war, die Konflikte zu vermeiden, die den Kontinent über Tausende Jahre durchzogen haben.

Zum Schluss, WIR wertschätzen – und ich bin sicher unser Vater hätte ebenso gedacht – die offene Tür und die Gastfreundschaft, die Deutschland den heutigen Flüchtlingen des Mittleren Ostens entgegen-bringt. Durch dieses Handeln haben die Menschen in Deutschland ihren menschlichen Anstand gezeigt und die Hand ausgestreckt und denen geholfen, die nicht aus eigener Schuld leiden – und Deutschland hat ein Beispiel gegeben.

Wir können nur hoffen, dass andere Länder, einschließlich unserer eigenen, bald diesem guten Beispiel folgen.

Danke.“

The Family of Bert Stern
The Family of Bert Stern

Sehen Sie auch: Carole Karlsruher, “The Bär/Plaut Family at Markt 8,” 9 November 2015
Achim Hess, “Heimatkunde: Jüdisches Leben in Themar,” rennsteig.tv (15 min)
Wolfgang Szwietek, “Stolpersteine erhalten die Erinnerung wach,” Freies Wort, 10 November 2015
Steffen Standke,